Problem "Jagen"

Da geht man seelenruhig über die Felder spazieren und plötzlich nimmt der Hund „die Beine unter den Arm“ und rast davon. Egal, ob ein Hase, ein Reh oder ein Radfahrer seinen Jagdtrieb ausgelöst hat – zunächst sollten wir uns im Klaren darüber sein, dass nahezu alle Hunde gerne jagen. Warum das so ist? Weil es ihrem Naturell entspricht. Weil es genetisch verankert ist.

 

Zwar müssen unsere Hunde heute nicht mehr aus Gründen der Selbsterhaltung jagen, weil wir ihre Näpfe doch täglich mit viel Leckerem füllen, aber sie tun es aus Passion. Während sie so rennen und hetzen, schüttet ihr Organismus Adrenalin aus, damit sie so fit und leistungsstark wie möglich sind, Blutdruck und Herzfrequenz steigen, alle Sinne sind geschärft – aber noch viel wichtiger: Es werden auch Dopamin, Serotonin und andere Botenstoffe freigesetzt, die den Hund richtiggehend beflügeln.

 

Ausgelöst wird das Jagen vom Anblick des fliehendes Wildes oder aber von der Duftspur allein, abhängig davon, welcher Rasse der Hund angehört: Der Sichtjäger verfolgt die rennende Beute, der klassische Jagd- und/oder Schweißhund verfolgt die Fährte. Wobei es von Hund zu Hund unterschiedlich ist, was sein Jagdglück befriedigt. Generell geht es aber um das von Caniden-Forscher Prof. Ray Coppinger festgeschriebene Verhaltensprinzip „Fixieren, Anpirschen, Hetzen, Packen, Töten“. Bei manchen Rassen ist der Aspekt des Anpirschens herausgezüchtet worden wie etwa beim Border Collie, bei anderen das Hetzen oder (wie bei Terriern) das Packen. Am Ende der Verhaltenskette stünde dann noch das Fressen, das aber heute eher vernachlässigbar geworden ist.

 

Wichtig beim Antijagd-Training ist es, dem Hund von Welpentagen an als (über)lebenswichtiger Jagdpartner zur Seite zu stehen – das heißt, der Hund muss lernen, dass er nur mit dem Sozialpartner Mensch zum Ziel, sprich: zur Beute, kommt. Hat er nur einmal das Erlebnis, dass er auch ohne den Menschen zum Ziel kommt, ist dieser Lerneffekt verloren, da das Jagen eine selbstbelohnende Handlung ist.

 

Zuerst wäre einmal wesentlich, dass der Hund nicht zu früh und ohne Vorhandsein eines soliden Rückrufs von der Leine gelassen wird! Das üben wir, indem wir den Hund über Monate an uns binden und auch dann das Erlernte im Schleppleinentraining verfestigen. Auch eine Hundepfeife macht hier Sinn, die als Sekundärverstärker auftrainiert wird und das belohnende Futter ankündigt. Als Ersatzbeute kann ein Dummy oder ein Futterbeutel dienen, auf die der Hund geprägt wird. Tut man das nicht, werden möglicherweise laufende Kinder, Jogger oder Radfahrer als Beute angenommen. Oder die Nachbarskatze.

 

Was sich auch bewährt, ist, Gassigänge spannend zu gestalten: Der Hund hat draußen einfach ein anderes Programm eingespeichert als wir, mit bloßem Gehen allein wird er keine Befriedigung finden – daher Futterbeutel mitnehmen, verstecken, suchen lassen; Leckerlis mitnehmen, schießen, Übungen machen, belohnen! Ebenfalls empfehlenswert bei leidenschaftlichen "Jägern" ist das Limitieren des Futters - der Hund soll künftig für einen Teil seines Futters arbeiten und wird belohnt - das dient der Bindung und etabliert den Menschen als den oben erwähnten lebenswichtigen Sozialpartner.

 

Grundsätzlich ist das Ausarbeiten einer spannenden Fährte für den Hund eine so beglückende wie fordernde Arbeit, die er für sein Leben gern verrichtet: Überlegt daher, ob ihr eurem Hund nicht hin und wieder Fährtenarbeit anbieten wollt – fragt in eurer Hundeschule nach Möglichkeiten. Auch das Mantrailing ist eine überaus sinnvolle Beschäftigung, um alle Sinne des Hundes zu fordern und zu fördern: Der Mensch, den es im Training zu suchen gilt, legt eine Strecke in Wald- oder Stadtgebiet zurück, überlässt dem Suchenden einen Geruchsträger, der Hund wird damit informiert und los geht die Suche. Meist über Stock und Stein, querfeldein – aber es macht einen Riesenspaß. Der Hund gewinnt bei dieser Arbeit rasch an Selbstbewusstsein und erhält dann beim Finden einen Jackpot!

 

Was ihr hingegen vermeiden solltet, ist das Spiel mit Bällchen, denn dadurch wird der Fokus vom Menschen komplett auf das Objekt verschoben, bis der Ball derart zur Droge wird, dass sich sogar Stereotypien wie Kreiseldrehen, Schattenfangen und sogar Wundlecken einstellen können, wenn das Objekt der Begierde nicht fliegt. Und: Der Hund wird unansprechbar. Und die Ansprechbarkeit zu bewahren ist beim Antijagd-Training das Wichtigste.

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