Mein Weg zum Hundesport

Mein Weg zum Hundesport war eher ein Zufall. Irgendwann besuchte ich das erste Mal eine Ortsgruppe in meiner Nähe und war rasch begeistert von all den scheinbar manierlichen Hunden, die auf Kommando beinahe tänzelnd ihre Übungen abspulten. Was so leicht aussah, faszinierte mich und so schloss ich mich dem Verein an. Ich tauchte immer tiefer ein in die Materie, lernte, hörte zu, passte auf, las nach. Irgendwann später wollte ich selbst einmal da draußen stehen und den Menschen Wissen vermitteln. Das ist heute der Fall und darüber bin ich glücklich, aber ich gebe in aller Demut zu, dass das "Wissen" im Umgang mit Hunden ein schier unendliches ist. Aber gerade das macht es so spannend, das Wesen Hund zu verstehen.

 

Jeder Mensch, der einen oder mehrere Hunde besitzt, kommt nämlich hie und da in Situationen, die unangenehm sind. Aber im Vertrauen: Sie sind es meist auch für den Hund. Pöbeln an der Leine, Trennungsangst, Kontrollverlust, Dominanzgehabe – all das sind Rituale, die grundsätzlich jeder Hund "erlernen" kann, wenn es dazu kommt, dass dieses Verhalten aus seiner Sicht immer wieder erfolgreich war. Aus Hundesicht geht es in diesen Momenten um das Bewahren seiner Ressourcen, egal, ob das der Mensch selbst ist, Futter, Plätze, die für ihn besondere Bedeutung haben oder andere Dinge, die es zu verteidigen gilt. Hund tut das, was für ihn naheliegend ist: Er sichert sich potenzielle Sexualpartner, vertreibt Kontrahenten und setzt alles daran, seinen Rang zu halten, wenn nicht sogar zu verbessern. Im Normalfall zeigen unsere Haushunde solches Verhalten kaum, selten und schwach und reagiert man im entscheidenden Moment richtig, wird es später nur mehr moderat auftreten.

 

Aber auch unter unseren Haushunden sind solche, die mehr hinterfragen, mehr austesten, mehr einen eigenen Weg verfolgen. So auch mein Airedale Terrierrüde: Ein Hund mit hochdekorierten Eltern aus Showlinien (das sind jene Hunde, die in erster Linie Schönheitskriterien entsprechen, im Gegensatz zu Arbeitslinien, diese Hunde sind vor allem auf das Ausüben ihrer ursprünglichen Eigenschaften gezüchtet), aber leider auch der größte Clown auf Gottes Erden! Für den Hundesport jedenfalls völlig ungeeignet. Die Hardliner unter den Ausbildern werden zwar darauf beharren, dass jeder Hund ein gewisses Maß an Leistung auf dem Hundeplatz zeigen kann, aber ich finde, man muss auch wissen, wann etwas im Leben wenig bis keinen Sinn hat. Dusty hinterfragte jedenfalls kontinuierlich den Sinn dieser Gehorsamkeitsübungen, entschied für sich, dass all die erwünschten Handlungsabläufe – Sitzenbleiben, Liegenbleiben, weggeschickt und zurückgerufen werden – wenig sinnvoll waren. Und Dusty fand es immer wesentlich spannender, Schmetterlinge oder Hummeln zu beobachten als minutenlang eisern an ein und derselben Stelle zu verharren.

 

Das Hufgeklapper einer vorbeifahrenden Kutsche war für ihn definitiv eine höhere Motivation als meine Futterstückchen und für kein Leckerli der Welt wäre dieser Hund allzu lange bei Fuß gegangen, wenn doch die Wiese so verführerisch duftete und es rundherum so viel Wichtigeres zu entdecken gab. Kurzum, der kleine Airedale legte zum Einstand zwar seine erste Prüfung mit 94 von 100 Punkten ab, doch schon kurz darauf blamierte mich Dusty bis auf die Knochen bei unserer zweiten Prüfung: Er trabte mitten unter der "Arbeit" zu den Büschen und ging markieren, hopste über den Platz, als wären die lachenden Menschen am Zaun ein Katalysator seiner Lustigkeit, setzte sich förmlich seine rote Clown-Nase auf und stelzte o-beinig so witzig durch die Gegend, dass alle ihren Spaß hatten, wir aber leider durchfielen. Mit Zwang geht bei diesem Hund rein gar nichts, und wenn es doch so wäre, ist das nicht mein Weg, also werde ich es nie erfahren.

 

Da ich aber nun einmal zum begeisterten Hundesportler wurde, baute ich mein altes Gewächshaus mit einem vernünftigen Boden und Spiegeln an den Wänden zur Trainingshalle aus und da trainiere ich bis heute. Da kann dieser Hund sogar apportieren, nicht meisterlich zwar, aber die Übung schaut einigermaßen so aus, wie es die Prüfungsordnung vorschreibt. Ok, manchmal startet er zu früh zum Bringholz, verliert es mitunter am Rückweg, sammelt es schlampig wieder ein, dann hängt es ihm seitlich aus dem Maul heraus – ein Anblick für Götter! Manchmal verliert er es auch erst beim "Einparken" in die Grundstellung und ist überhaupt ein bisschen fahrig beim Ausführen dieser Übung, aber ich liebe diesen Hund ohne Ende, weil er - wenn er mittut - mit Feuereifer dabei ist. Meist dauert dieser Zustand aber nicht lange an ...

 

Meine Irish Terrier-Hündin Scully hingegen war das "Sandwich-Kind" zwischen Nandor und Dusty: Scully war immerhin schon drei Jahre alt, als ich begann, mit Dusty am Hundeplatz zu trainieren und eigentlich plagte mich immer schlechtes Gewissen, dass die Kleine daheimbleiben musste. Nach einigen Monaten entschied ich mich also, Scully die gleiche Ausbildung angedeihen zu lassen, hechtete mit hochrotem Kopf aus einem Kurs, versorgte den einen Hund, holte den anderen und schloss mich einer zweiten Truppe an. Nach jeweils dreißig Minuten ein Wechsel und wieder einer.

 

Das würde ich heute nicht mehr machen, weil kein Mensch bei einem solchen Stresspegel ruhig und klar in Kommandos und Körpersprache sein kann, aber das wusste ich damals noch nicht. Also absolvierte auch Scully ihre Kurse in der Unterordnung, lernte Fußgehen mit Blickkontakt, Sitzen, Liegen und alles, was sonst noch so zu den Basics gehört. Und tatsächlich bestand die kleine, fuchsrote Hündin dieselbe Prüfung am selben Tag, die Dusty kurz zuvor vergeigt hatte. Eine Ausbildnerin sagte damals zu mir, ich würde mit der Hündin ganz anders arbeiten, wäre lustig und unbekümmert, wohingegen ich mit Dusty erfolgreich sein wollte. Und genau dieser Druck schien den Unterschied zu machen ....

 

Auszug aus dem Buch "Die Welt mit seinen Augen sehen", erschienen bei BoD, erhältlich im Buchhandel. Auch als e-book.

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