Kaum ein Thema spaltet die Hunde-Community so sehr wie die Frage, ob lieber Halsband oder Brustgeschirr verwendet werden sollte. Nun, aus Trainersicht kann ich es so beantworten: Privat können Sie verwenden, was Ihnen beliebt - am Trainingsplatz hat aber ein Brustgeschirr nichts verloren. Sehen wir uns zunächst einmal die Art der Einwirkung an: Während das Halsband den Hals umschließt und dabei Druck auf Luftröhre, Speiseröhre, Arterien, Venen und je nach Sitz auch auf den Kehlkopf, auf Schilddrüse, Speicheldrüse und Lymphknoten ausüben kann, liegt das Brustgeschirr hinter den Schulterblättern, umschließt den Brustkorb, stört nicht in den Achseln und gewährt durch einen Steg am Rücken, der lang genug sein muss, dem Ausschreiten der Vorderpfoten genügend Raum in der Bewegung. Achten Sie darauf, dass auch das Brustgeschirr richtig sitzt, keinen Druck auf das Brustbein ausübt, nicht scheuert und dass Brustwirbelsäule und Brustkorb nicht behindert oder gar gequetscht werden. Beim Brustgeschirr entsteht durch die physikalisch bedingte Hebelwirkung Kraft, die der Hund ins Ziehen legen kann - und eigentlich war das der frühere Sinn des Brustgeschirrs!
Entstanden sind diese Geschirre für Hunde, die ein Wägelchen ziehen mussten, also etwa einen Postwagen, einen Milchwagen oder einen Schlitten. Und hier sitzt auch der Nachteil: Der Hund hat über das Brustgeschirr eine deutlich höhere Kraft und lernt, dass man seinen Menschen einfach hinter sich herziehen kann! Das Halsband wiederum löst Kontakt zu den empfindlichen Stellen an Hals und Nacken aus und kann, wenn es durch heftigen Leinenruck zum Hundeführer nach hinten gezogen wird, nachhaltig Schäden an der Wirbelsäule auslösen. Hier liegt es also sprichwörtlich in des Hundeführers Hand, angepasst mit der Halsung umzugehen. Zum Glück ist das Ausbildungsmodell über Leinenruck längst überholt und auf guten Hundeplätzen bzw. mit verantwortungsvollen Trainern wird in diesem Bereich sensibel gearbeitet. Ich sage meinen Kunden immer, ein Halsband mit Leine sei wie ein fester Händedruck mit Augenkontakt, wohingegen Kommunikation über das Brustgeschirr so vage ist, als ob jemand, der mir etwas Wichtiges sagen will, mich diffus hinten an der Kapuze zupft. Wem werde ich wohl mehr Aufmerksamkeit entgegen bringen?
Natürlich sollte das Halsband breit genug und bequem genug sein, dass mit feiner Hand kommuniziert werden kann, aber es gibt auch Prüfungen im Hundesport, die mit einem Kettenhalsband absolviert werden müssen. Es spricht aber nichts dagegen, mit einem klassischen Leder- oder Stoffhalsband zu trainieren und nur für die Prüfungssituation das Kettenhalsband anzulegen. Gerade bei höheren Prüfungen im Hundesport bewerten Richter in Sachen Leinenführigkeit ohnehin eine durchhängende Leine und eine ruhige Leinenhand besonders genau. Andernfalls gibt es Abzüge, Verwarnungen oder sogar einen Ausschluss bei unfairem Verhalten.
Stachelhalsbänder und Halsbänder, die über elektrische Impulse arbeiten, lehne ich auch ab. So, wie ich für den Hundeplatz auch die allseits beliebte Flexileine ablehne, weil damit keinerlei dosierte Einwirkung auf den Hund möglich ist. Also fassen wir zusammen: Ein Welpe darf bei mir im Kurs noch gern ein Brustgeschirr tragen, ab dem Junghundealter von vier bis fünf Monaten schlage ich meinen Kursteilnehmern jedoch ein gut sitzendes, weiches, breites Halsband vor, welches am Hundeplatz bei der Arbeit getragen werden soll. Nach der Kursstunde darf jeder selbst entscheiden, was er gern anlegen möchte. Für Training und Prüfungsvorbereitung im klassischen Sinn, die über Motivation und positive Verstärker wie Futter, Spiel und Sozialkontakt aufgebaut sind, empfehle ich das Halsband.
Kommentar schreiben